Es gibt Märsche, die klingen so, wie sie heißen: zum Beispiel der „Amboss-Marsch“. Da schwingt schon im Namen so viel Kraft und Eisen mit, da kann die Musik gar nicht hintanstehen. Logisch, dass die Musiker diesen Marsch nicht immer stemmen wollen. Aber manchmal müssen sie.
Peter Otto hebt die Hand. Das ist im Spielmannszug Werste- das Zeichen, die Flöten an den Mund zu nehmen, die Stöcke auf der Trommel bereit zu halten und die Lyra auf die Hüfte zu setzen. Es ist die Stille vor dem Amboss-Sturm. Dienstagabend war Probestunde des Spielmannszugs im Schützenheim Werste.
„Bei diesem Marsch stehen mir die Nackenhaare zu Berge“, sagt Andreas Wiebesiek. Der 44-jährige Bautischler spielt die Lyra. Das ist ein Instrument, das wie eine Kreuzung aus Xylophon und Harfe
aussieht. Die Nackenhaare stehen ihm zu Berge, weil die Lyra einen Auftakt hat. Zwei Töne muss Wiebesiek spielen, bevor die anderen einsetzen. Auswendig. „Eigentlich sind wir Künst1er“, sagt
Wiebesiek. „Wir kennen keine Noten und haben die Stücke nach Gehör gelernt. “Das soll sich jetzt ändern. Die Spielmannszügler wollen Noten 1ernen. Im Sommer haben sie sich auf den Hosenboden
gesetzt und damit angefangen. Zwei Lehrer vom Volksmusikerbund Minden sind dazu in die Übungsstunden gekommen und haben ihnen die Notenschlüssel erklärt. Harte Arbeit sei das, seufzt Dirigent
Peter Otto. Zwei, drei Jahre plant er für die Umstellung auf Noten ein. Bisher spielen die Schützen auswendig oder nach Grifftabellen.
„Noten sind überlebensnotwendig für uns“, sagt Otto. Der 44-jährige Kraftfahrer bei der Bundeswehr will den Spielmannszug fit für die Zukunft machen. Jugendliche sollen nicht nur in der
Schule, sondern auch in der Schützengemeinschaft Noten lernen können. Und außerdem wollen die Schützen nicht nur Märsche spielen. „Wir müssen uns öffnen“, sagt Otto und denkt dabei an Konzerte
zum Beispiel in Altenheimen. Die Schützen wollen weg von der „Knüppelmusik“.
Ein Dutzend Jugendliche machen schon mit. Sechs davon sind am Dienstag bei den Proben dabei. Zum Beispiel Karina Halstenberg. Die 13-jährige Gesamtschülerin spielt schon seit fünf Jahren Querfiöte bei den Werster Schützen. Freundinnen rümpfen manchmal die Nase, wenn sie von ihrem Hobby erzählt. „Aber das ist mir egal“, sagt sie. „Es macht mir Spaß und ich steh‘ dazu!“ So viel Spaß, dass sie ihren Vater sogar in den Spielmannszug geholt hat. Normalerweise läuft das ja anders herum mit dem Musikernachwuchs. Peter Otto hebt die Hand. und es wird leise im Raum. Karina greift wie alle anderen wieder zu ihrer Flöte und der Grifftabelle mit den Zahlen und es er klingt der River Kwai Marsch.
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